Friday, June 13, 2014

Derwisch-Märchen, oder, wie Cinderallah ihren Weg nach Hause fand

(erzählt u. illustriert Mär. ‘84, dann wieder aus d. Englisch übersetzt Aug. 2007, von Sam)

(Tosun-Baba sass im großen Plüschsessel, und öffnete eine Schachtel voller Überraschungen: Turkish Delight, Taffy, Feigen, Nusse, Halwah - der war ein perfekter Onkel! Und während dessen, machte es sich jedes Kind gemütlich, für die traditionelle Geschichte. Tosun-Baba begann, eine Zigarre zu entzünden; und während er zog, die Rauchringe denkend über seinen Kopf pustend, eröffnete er den Abend zu jeder Bitte. “Cinderella” rief einer.  Tosun ließ eine bedeutsame Pause da hängen, dann begann er:</p><p>“Cinderallah, glaube ich, ist die korrekte Version…”  Und so hat er erzählt...)
In einem kleinen Dörfchen in der Nähe von Anatolya, da wohnte ein Mädchen namens Cinderallah. Sie wohnte mit ihrer hochmütigen Stiefmutter und mit ihren zwei eitlen Schwestern, die sie Tag und Nacht zu jeder Art Aufgabe stellten, was die sich ausdenken konnten.

In ihren14 Lebensjahren, hat Cinderallah ihren Vater nicht kennengelernt, und ihre Mutter hat sie in einem sehr frühen Alter verloren, durch irgendwelche schrecklichen politischen Umstände, zu der Zeit.

Tatsächlich, sie konnte sich nie daran enrinnern, wie ihre jetzige Familie entstanden war, und immer, wenn sie danach gefragt hat, Sarkasmus und böse Verspottung war alles, was sie dafür bekam .
“Du bist kaum deinem Brot und der Butter wert - gehe mal, und verdiene deinen Unterhalt!” brüllten sie, oder: “Na, du kleine Armenerin, du hast keine Würzeln, du bist aus der Straßenrinne gesprungen!”

Immer ein böser spitzer Spruch, den die Mutter immer hat durchgehen lassen.

Die zwei Schwestern, Figstein und Muldoon, waren so eitel wie sie schön waren (vom Aussehen her), gleich so grob und unsensibel wie eitel. Die Tatsache war, und zwar der bescheidenen Cinderallah wohl unbewußt, daß das frivole und kleinbürgerliche Vermögen, mit dem sie vor ihren Augen so gern prahlten, waren in deren gierigen Hände befallen, aus ihrem eigenen Erbe, von ihrer Mutter für sie hinterlassen, und seit lange vor ihr verborgen, von ihrer schlauen Stiefmutter, Um-Mathilde.

Cinderallah hatte nichts von dem köstlichen Halwah und den türkischen Feigen, was ihre Schwestern in großer Quantität verbrauchten. Gelegentlich, bei der Rückkehr vom Markt, mit frischem Kaffee und Baklava, durfte sie ein paar Flocken Blätterteig von der mundwässernden Leckerei kosten. Da gab’s nie genug türkischer Kaffee für das kleines Fräulein, sie mußte sich mit dem Kaffeesatz abfinden.

Die Mäuse aber hatten Mitleid mit ihr, und sie stellte sich vor, daß sie vor ihr tanzten, während sie arbeitete, alein bis in die Nacht, an jedem typischen Abend, als ihre Schwestern weg waren, zu Spielcasinos oder einem gesellschaftlichen Bankett gegangen, mit Um-Mathilde als Begleitung.
Man darf aber nicht denken, daß Cinderallah bitter war. Kleingeistigkeit war unter ihrer Würde, denn sie wurde edelmutig geboren, sie wußte nur nicht wo. Und die Mäuse waren nicht ihr einziger Trost. Sie hatte für sich ein kleines Lied bewahren, was sie sang bei der Beschäftigung um ihrer Aufgaben.

Sie hatte mal die Wörter im Traum gehört, und hat nie ihre Bedeutung verstanden, aber immerhin hatte es eine nette Melodie - und, nun, sie hatte auch eine nette Stimme. Der Grund, weshalb sie mit so einer Stimme gesegnet war, war dieser: sie hatte sich in ihrem Herzen vorgestellt, daß jedes junge Mädel einen Geliebten haben sollte- so wird sie also auch eines Tages einen haben, und damit wurde für sie ihre ganze Hausarbeit zu einer Art Vorbereitung, für den Tag an dem sie ihrem Geliebten befallen und deshalb heiraten. Sie sang diese albernen kleinen Wörter, eine einfache, sich vom Herzen gefühlte Phrase:

Subhan-Allah, Cinder-Allah . . . . . .Subhan-Allah, Cinder-Allah . . . . . .Subhan-Allah, Cinder-Allah . . . . . . 

. . . Und dann, seufzte sie ganz tief . . .

Sie würde fegen, im Rhythmus sie erschaffen hat mit den Worten, gleichso das Geschirr waschen, Wäsche sortieren, Böden schruben, Brot backen, Butter buttern - alles zu dem Rhythmus. Und alles für ihr teuren Niemand, ihren noch unentdeckten Geliebten, ihr irgendwannmal-Jemand.

Sie hat auch immer ein birnenförmiges Medaillon behalten, ihr einziger Besitz, auf einer Schnur um ihrer Hals. Sie konnte die fremdartige Schrift auf dem Medaille nicht ausmachen, aber, da es alles war was sie zu ihrem Namen zählen durfte, hat sie es behütet, und immer oft poliert bis es ihr so schien, wie ein Stern über ihr milden Herzchen.

“Heute gibt’s Festabend,” scheltete ihre Stiefmutter, Um-Mathilde. Aus ihren Gedanken erschüttert, so weit weg war sie von denen transportiert, stolperte das Mädchen über den Korb voller Wäsche, die sie gerade am Flicken war.

“Idiotin! Elender Wicht, Lausekind!” fuhr Um-Mathilde sie an. Dann wandelte sich ihr Gesicht entspannt in einem süßen, mütterlichen Blick. Süß wie Aalfische in einem glatten Teich, natürlich. “Nun Liebling, sei ein braves Mädchen und mach deine Aufgabe da zu Ende, wir brauchen nämlich die Kleidung für das Festmahl. Solltest du alles rechtzeitig fertig hast, wird dir Dresche erspart, wegen deiner Faulheit, und du darfst den übriggebliebenen Rest haben vom Abendbrot nachdem wir gegangen sind.”

“Wird’s denn…Feierlichkeiten geben, Ma’am?” Da traten Figstein und Muldoon ein, ohne Mieder, und Stacheln auf den Zungen. (Cinderallah hat immer deren guten Aussehen verehrt, da sie sich, im Gegenteil, für nicht überwältigend hielt, und zwar unjust, so wie die anderen sie auch glauben lassen wollten.)
“Feierlichkeiten! Du Pupszwerg, das möchtest du aber wissen! Die aller beste Halwah! Figstein schmatzte höhnisch mit den Lippen.

Muldoon sprung mit rein, “…und Baklava im Scheffelmaß! Ha - und gut aussehende Männer aus guten Familien. Die würden dich kaum bemerken. Wir aber, werden die ganzen Nacht durchtanzen!”

Cinderallah wurden die Augen groß und breit. Halwah, süße Speise, und Baklava im Scheffelmaß! Sie fiel beinahe in Ohnmacht vor lauter Extase. Mit Gewissheit, wird ihr heimlicher Geliebter, wenn er mal für sie kommt, eine Bäckerei besitzen. (Sie würde es auf ihrer Bittschrift eintragen, die an ihrem sanften Herzen beschriftet lag.) “Und, dann wird’s auch…Musik geben?”

Die Schwestern fielen ins Gegacker. “Ach wo, was für eine Ahnungslose! Trommelei, Kleine, und Rebab!”

Um-Mathilde klatschte in die Hände. “Nun, meine Lieblinge, jetzt ist schon Zeit um weiter mit Vorbereitungen zu beschäftigen. Cinderallah hat Aufgaben zu erfüllen, ihre Pause ist schon um - sie hat Vieles für das morgige Abendsfest zu besorgen, das wir hier zu Hause halten.”

Alle drei Mädchen waren wohl aufgeregt der neuen Überraschung wegen, nicht weniger Cinderallah.

“Ah, Um-Mathilde, dann werde ich doch meine erste Feier erleben!” sie war so begeistert.
Aber die Matrone warf dem Mädchen einen eisigen Blick zu. “Ge-wiss nicht!” So barsch war diese Rückmeldung, daß Cinderallah beinahe von ihrem Hocker fiel. Allein gelassen mit ihrem Flicken, spürte sie einen Impuls zu heulen.

Und geheult hat sie, sie fiel, plumps, auf die Knie, die Handflächen ausgestreckt und flehend. Mit fließenden Tränen, alles was das Mädchen aus ihrer Kehle herausdrücken konnte, waren jene zwei Wörter an ihren Geliebten:

“Subhan-Allah, Cinder-Allah . . . Subhan-Allah, Cinder-Allah…”
Und nur die Mäuse beachtenten sie, und sammelten sich rund um sie zu einem Kreis.

(Tosun Baba nahm einen langen Zug von seiner Zigarre, und schloß die Augen, beschaulich in sich gekehrt, als wäre er völlig verlassen in Erinnerungen, weit weit fern… Plötzlich, nach einer melancholischen Pause zurückgekehrt, räusperte er sich und zog an seinem Schnurrbart.)

Nun, also - um weiterhin zu springen -

Um-Mathilde und ihre Töchter sind fortgegangen, zu ihrer fest lichen Veranstaltung, mit all deren Versprechen von Wein, Gesänge und Leckerbissen - und, vielleicht, einer Romanze.

“Sieht so aus, als werden wir alle die ganzen Nacht aufbleiben,” grinste Um-Mathilde spöttisch, um noch einen hönischen Abschiedsspruch hinterzulassen, begleitet von dem abfääligen Kichern ihrer zwei Töchter.

BAM, knallte die Tür.
Und da stand Cinderallah sehr alleine, mit Ausnahme der Mäuse. Der alte (damalige Mäusefänger) Kater Vespa, dessen Tage als Mäusejäger schon längst vergangen waren, wurde seitdem zu einem Haushaltsinventar. Er stand auf, von seinem Nickerchen erweckt, und watschelte mit steifen Knochen und zerfetztem Fell zu seinen einzigem Frauchen, eine Achtelfigur gegen reibend zwischen ihren Fußknöcheln.

Sie beugte sich hinunter, um ihn in ihren Armen zu nehmen, doch als sie sein Fell anrührte, bekam sie von ihm einen so ungewöhnlichen Knallschlag, daß sie einen Rückwärtssprung machte und landete im Wäschekorb, ihre Ohren erschüttert von einem Donnerschlag - und dem Klang einer geschlagenen Trommel.

Als sie wieder zu Sinne kam, stand mit ihr im Zimmer ein große und kraftvolle Gestalt - eine Dame des edelsten Auftreten von weitem, was Cinderallah sich je vorgestellt hat. Sie stand mit einer Selbstverständlichkeit schon ím Eingang, doch wurde die Tür, hinter ihr, nie geöffnet.

Wegen ihr Erstaunen daran, hat das Mädchen die Transformation der Mäuse völlig verpasst, ihrer Verwandlung nämlich in wohlaussehende, noble Derwische - Liebhaber der aller schönsten und herrlichen Wahrheits. Und Vespa? Vespa war auch einer, von unrechenbarem Alter, aber gleich doch potentem Auftreten.

Als Vespa begann, Instrumente an die ehemaligen Mäuse auszuteilen, hier ein Rebab, da eine Handtrommel, an dieser ein paar Blechbecken, an jener einen Ney - und jedes Instrument ehrerbietig angenommen, mit einem Kuß und einer Anrührung an der Stirn - das Mädchen drehte sich und betrachtete die Frau, mit der sie sich, aber mit äußerst herzlichem Blick, betrachtete.

Bevor Cinderallah ihr einen Hocker anbieten konnte, hatte eine Derwisch-Maus schon ein Schaffell hervorgebracht auf dem die Dame sich setzte und dem Mädchen andeutete, daß Cinderallah Platz an derer Seite nehmen sollte. Das Mädchen tat bescheiden, wie ihr gesagt wurde. Die Dame hielt deren Hände in der einen Hand, während ihr anderer Arm Cinderallah umarmte so mild, und sie streichelte sie, die ganzen Zeit, als die Musiker spielten. Nur der helle Flammenschein des Kamins erleuchtete den Raum, und eine Glut erleuchtete das äußerst gelassene Lächeln auf den Lippen der Dame.

Die Edle flüsterte dem Mädchen zu, das nun bezaubernd beruhigt war von dem Schwanken der Musik und deren tiefen Wirkung auf jedes Raumteilchen des Hauses:

“Wir haben Dein Gebet gehört, O Reine,” fing sie an, “und sind zu Dir gekommen, um Dich zu dem Geliebten zu führen.”

“Ach!” keuchte das Mädchen mit gestocktem Atem. “Dann…Ihr liebt ihn auch?…ich - äh - meine, Ihr kennt ihn?…äh…wer ist…woist er?” Sie schaute in alle Richtungen nach ihm.

Die Dame lachte. “Zeige mir Dein Medaillion, Liebste,” war alles was sie beantwortete. Aber ach! wie ihre Augen glitzerten. Ihr Gelächter war wie die Glocken.

Breitäugig vor Ungläubigkeit, zeigte Cinderallah sie ihr. Ohne daran zu schauen, und mit fixiertem Blick auf den Augen des Mädchens, sie fragte nur: “Weißt Du was darauf steht?”
“Ich - kann nichts daraus machen…ist…ist es Schrift?” stotterte das Mädchen.

“Lies vor, “ befahl die Frau. Des Mädchens Blick flitzte nervös von den Augen der Frau zu der Medaille, von ihrem eigenen Schoß, wieder zur Medaille, dann wieder zu dem Antlitz der Frau , was nun ganz von sich her illuminiert erschien. Plötzlich hörte des Mädchens die Verwirrung auf. Jede Art von Tonfall hörte auf. Sie verlor die Spur ihres eigenen Gesichtes, so zu sagen, in dem Gesicht der Frau. Und als spräche also geistig der ganze Raum sie an, drinnen und draußen, wurde sie auf einmal gezwungen, die folgende Wörter zu hören, und dann zu äußern: “Was gesucht wird, ist das, was sucht.”

Die Dame nickte nur und lenkte Cinderallahs Aufmerksamkeit, zu einer blinden Derwisch-Maus, die anfing zu singen. Nach dem Gesang, mehr Musik, machten die Derwisch-Mäuse Kreis, jede in Reihenfolge die Dame, mit Verbeugung, begrüßend.

“Diese Nacht, ist die Nacht des Erinnerns,” begann die Dame, ohne ihre Augen, von der Zeremonie, abzuwenden, die gerade statt fand. “Ich heiße Um-Qadiri, Mutter der Kraft des Ermöglichens, auch Mutter der Derwische. Beim Erinnern an den Geliebten, den Geliebten für uns alle, Du hast uns hier in Deinem Wohnzimmer eben erinnert. Wir sind immer zusammen gewesen. …”

Cinderallah war ganz benommen. Nun ging der alte Vespa-Derwisch in die Kreismitte, und drehte sich rund und rund um, seine grauen Schnurrhaaren widerspiegelten das Feuerlicht.
Als er sein Drehen beendete, erhob sich Um-Qadiri und stand majestätisch auf, und, ihr junger Neuling bei der Hand nehmend, führte sie in die Mitte und lief mit ihr innerhalb des Kreises rum herum. Außer ihnen, sangen alle Stimmen leise:
“Subhan-Allah, Cinder-Allah . . .”

Und der Gesang wurde lauter und schneller, wobei, Um-Qadiri beide Hände Cinderallahs fest nahm, und sich so sehr zurücklehnte, daß sie sich rund und rund herum drehten . . .

Cinderallah wurde ganz schwindlig, aber Um-Qadiri hielte sie ziemlich fest und fuhr sie an, bloß auf ihr Gesicht zu schauen und auf den Rest nicht zu achten. Das Mädchen tat das nur zu gern, und weder stolperten sie noch knallten gegen jemanden. Plötzlich hörte alles auf. Die beiden standen da, einfach so, Auge zu Auge - Cinderallah war so erfüllt sie konnte es kaum mehr aushalten. Der Blinde sang, und die Anderen schloßen sich ihm an dabei. Der Gesang wurde wieder stärker, und sie machte die Augen einfach zu, während die Stimmen erklangen. Laut und kräftig in den Kehlen, wie Holzsägen:

“Hál - wáh . . . Hál - wáh . . .,” jede Silbe schwingend und schaukelnd, Seite zu Seite, hin und zurück als Kreis. Bei der Aufregung rief die eine oder andere Einzelstimme über alle anderen: “Bakláva!…Bakláva!…” Als es zum Ende kam, nur der Blinder sang, und danach - der Ney.

Cinderallah öffnete die Augen und befand sich noch einmal neben ihrer neugefundenen Mutter, auf der Schaffell, die das Mädchen nun mit liebevoller Vertraulichkeit anprach.

“Tochter,” ach! wie wunderschön das Wort an ihren Ohren fiel! “Lange hast Du diesen Namen gesungen - Cinderallah. So haben wir gehört, so haben wir es beantwortet. Wir hörten aber: “Send ‘er Allah!” als Du nach dem Geliebten sehntest. Und so taten wir. Nun sind wir alle da, Du weißt zu wem Du gehörst, zu Deiner wahren Familie. Und es ist an der Zeit, daß Du dir einen neuen Name nimmst: Rahima. Denn Du hast Gnade gekannt.”

Cinderallah war wie betäubt vor Begeisterung. Während alle bereit machten, um sich zu erheben, plazierte Üm-Qadiri einen Kuss auf Rahimas Stirn, und sagte: “Es ist Zeit, nach Hause zu kommen. Laß hinter Dir was alt ist, und folge Deinem Herzen. Dir wird’s gezeigt, wo Du uns findest.”

Und in einem Aufblitzen rumpelte Vespa, der Kater, aus dem Kreis heraus; und als er sich näher zu Rahima zog, wuchs und wuchs er zu einer Größe an bis er ihr ganzen Blick vor dem Raum deckte, und sie gleich überwältigt. Denn in dem Augenblick wo sie das Fell dieses Biestes an ihrer Wange fühlte, überfiel sie noch einmal der Donnerschlag.

Als sie wieder zu Sinne kam, war ihre einzige Gesellschaft ein alter, nutzlose Kater, sowie einige Mäuse. Sie sass eine Weile da und schaute sie an, und versuchte in den, die gut aussehenden Kerlen, ihre Brüdern-in-dem-Geliebten, zu erkennen. “Nö,” sie schüttlte den Kopf. “Ich glaube’s nicht.”
 Beim Sonnenaufbruch, der gleich danach folgte, hörte sie die Schritte vör der Tür. “Sie sind wieder da!” Sie sprang auf und strich einige lose Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Auf die unvollendeten Aufgaben schauend, sah sie, daß es alles hoffnungslos war; eine Tracht Prügel und noch mehr Schimpfen und Hohn waren unvermeidbar.

Die Schwestern kamen schlingernd erschöpft durch die Tür. Zum aller ersten Mal sah Cinderallah, wie pathetisch und häßlich sie wirklich waren. Denn ihre äußeren Schönheit wurde bei Weitem überwogen von der Scheußlichkeit, die sie von innen her kultiviert hatten.
Der Garten wurde von Unkräuten überronnen, wie man sagt. Ihre Mutter wurde es überlassen, zurück nach Hause zu eilen. Als sie endlich ankam, spürte Cinderallah Mitleid, ihrem Elend wegen, und half ihr deshalb auf einem Stuhl. Sie sah furchtbar aus.

Was war passiert? Nichts war passiert. Cinderallahs Augen wurden nur geöffnet, und sie sah ihre “Schwestern” und Stiefmutter wie sie wirklich waren, ohne Würde und ohne Anmut.
Und sie erinnerte sich an die Wörter Um-Qadiris: verlaß das Alte, und folge Deinem Herzen.

Sie spürte mehrere starke Gefühle, an ihrem Herzen ziehend. Sie fühlte Wut und Zorn darüber, so lange Zeit in solch unglückliche Gesellschaft verbracht zu haben; sie wollte sie alle rausschmeißen und das Haus niederreißen.

Und sie fühlte sich gnädig ihnen gegenüber, denn sie waren doch eine unglückliche Partie, ohne Erkenntnis von Güte oder Sympathie, ohne jede Vornehmheit. Sie waren fett und grob, grotesk zu betrachten.

Vor allem aber, sehnte sich Cinderallah-Rahima danach, bei Um-Qadiri zu sein.
Als diese Gedanken fand in ihr festen Boden, sie fühlte sich sehr vernünftig darüber, und ohne weitere Aufhalten, zog sie ihren dünnen, schäbigen Mantel an, steckte etwas Brot, für die Reise, in die Tasche, und ging an die Haustür.

Sie drehte sich noh einmal um, um Abschied zu nehmen, bedankte sich bei ihnen, für das Obdach was ihr Jahre lang gegönnt, und erkündigte, daß sie sich dem offenen Himmel und Wege unbekannt übergäbe, um sich ihrer wahren Familie anzuschließen.

“Wer glaubst du, wer du bist!” empörten sie sich, und versuchten dabei furchterregend auszusehen. Ihr kam es aber nicht mehr glaubwürdig vor, und ihnen auch nicht. “Wer wird hier deine Arbeit übernehmen?!” schrien sie merkbar verzweifelt.

“Weiß nicht,” rief Rahima. “Ich habe meine Aufgabe hier beendet.” Und weiter lief sie an. Das Getöse von Geschrei und Schimpfen, und Anbetteln und Drohen, und noch mehr Heulen, wurde langsam schwächer und leiser, hinter ihr. Insofern sie wußte, sie mögen einander wohl auffressen. And genau daß, natürlich, taten sie.

Rahima lief einfach weiter.
 * * *
Im Original und illustriert:
http://samuelinayatchisti.blogspot.de/2011/05/cinderallah-dervish-folktale.html

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